NSA bespitzelt auch Unternehmen

Der Exgeheimdienstler Edward Snowden wirft der NSA Wirtschaftsspionage vor. In Deutschland haben bereits Konzerne wie Ferrostaal Erfahrung mit dem Geheimdienst gemacht.

Es war sein weltweit erstes Fernsehinterview. Und obwohl NSA-Enthüller Edward Snowden darin erklärt, warum er um sein Leben fürchtet, wirkt der 30-Jährige sehr gelassen. Viele Zuschauer werden seine Aussagen jedoch erneut alarmiert haben. Snowden ist überzeugt, dass die USA auch ausländische Unternehmen ausspioniert haben. "Wenn es etwa bei Siemens Informationen gibt, die dem nationalen Interesse der Vereinigten Staaten nutzen, aber nichts mit der nationalen Sicherheit zu tun haben, dann nehmen sie sich diese Informationen trotzdem", sagte er im NDR-Interview.

 

Damit trifft Snowden einen wunden Punkt, denn den Verdacht, dass die USA nicht nur zur Terrorabwehr vertrauliche Informationen sammeln, sondern auch zu ihrem wirtschaftlichen Vorteil, den gibt es schon lange. Aber konkrete Fakten fehlen bisher meist – nicht zuletzt, weil sich attackierte Unternehmen zu solchen Fällen nicht gern äußern, wenn sie die Angriffe überhaupt bemerken. Die Frage ist: Was dürfen die Nachrichtendienste und herrscht Waffengleichheit? Während nämlich deutsche Agenten keinen Auftrag haben, für deutsche Firmen im Ausland zu spionieren, halten es andere Nationen ganz anders.

 

Dabei ist die Unterscheidung schwierig und die Grenzen sind wohl fließend: Folgt man dem Bundesamt für Verfassungsschutz muss man zwei Arten von ökonomisch motivierter Informationsbeschaffung unterscheiden.Wirtschaftsspionage geht demnach von fremden Nachrichtendiensten aus, die Unternehmen und Forschungsinstitute staatlich gelenkt oder gestützt ausforscht. Industriespionage dagegen ist die private Ausforschung durch konkurrierende Unternehmen. Bei der einen Tätigkeit geht es um strategische ökonomische Analyse, bei der anderen um konkretes Firmen-Knowhow. Allerdings: Beide Aufgaben werden offenbar von deutschen und amerikanischen Diensten unterschiedlich ausgelegt. "In den Zuständigkeitsbereich der Verfassungsschutzbehörden fällt ausschließlich die Wirtschaftsspionage", schreibt der Verfassungsschutz. Aufgabe des Bundesnachrichtendienstes ist es demnach, umfassende Informationen zu wirtschaftlichen und auch technischen Entwicklungen zu beschaffen.

 

In einer Broschüre warnt der Verfassungsschutz deutsche Unternehmen zwar ausdrücklich vor der Ausforschung durch fremde Nachrichtendienste, nennt aber unter der Rubrik "die wichtigsten Dienste, die Wirtschaftsspionage betreiben" nur chinesische und russische Einheiten. Die chinesischen Nachrichtendienste verfügten über circa eine Million Mitarbeiter steht dort. Über die NSA steht dort nichts.

 

Was die USA unter Wirtschaftsspionage verstehen, lässt sich unter anderem in einem als geheim qualifizierten Papier nachlesen, das auf der Enthüllungsplattform Cryptome veröffentlicht wurde. Dort steht als eine Mission der nachrichtendienstlichen Informationsgewinnung (kurz: SIGINT) für die Jahre 2007 bis 2013: Technologische Überraschungen verhindern. Die Mission konzentriert sich demnach auf kritische Technologien, die zu militärstrategischer, politischer oder ökonomischer Überlegenheit führen. Aufgeführt sind unter anderem Laser-, Computer- und Informationstechnologie sowie Waffen-, Luftfahrt-, Nano- und Tarntechnologie. Die NSA sieht dabei als Herkunftsländer solcher neu entstehenden technologischen Bedrohungen ausdrücklich Russland, China, Indien, Japan, Deutschland, Frankreich, Korea, Israel, Singapur und Schweden.

 

Das Unternehmen Ferrostaal aus Essen ist bereits vor einigen Jahren mindestens einmal zum Opfer eines Lauschangriffs der NSA geworden. Dem Industriedienstleister soll nach einem Bericht des ZDF dadurch ein Auftrag im Volumen von 34 Millionen Dollar entgangen sein, schärfster Konkurrent: ein US-Unternehmen.

 

Auch andere westliche Nationen sind beim Ausspähern von ökonomisch wichtigen Daten nicht zimperlich: Vom französischen Auslandsgeheimdienst Direction Générale de la Sécurité Extérieure heißt es, er gebe alle heiklen Daten direkt an Großunternehmen des Landes weiter. Auch der britische Geheimdienst GCHQ hatte für den Einsatz des Tempora-Ausspähprogramms den Auftrag, alles zusammentragen, was "dem Wohle der britischen Wirtschaft" dient.

 

Das deutsche Innenministerium beziffert den Schaden durch Angriffe auf den "Rohstoff Geist" allein in Deutschland auf jährlich 50 Milliarden Euro. Das "Dunkelfeld" sei aber weitaus größer, meint Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen. Vielleicht liegt das auch daran, dass der BND sich bisher vor allem auf Angriffe aus östlicher Richtung konzentriert hat. 

 

Quelle: zeit.de