Edward Snowden und die Cloud

Durch die Enthüllungen von Edward Snowden haben deutsche Unternehmen Angst davor, unternehmensrelevante Daten in die Cloud zu verlagern. Die Welt braucht international verlässliche Abkommen zum Datenschutz.

Wenn der Präsident des deutschen Branchenverbands für die Unternehmen der Informationstechnologie (IT) feststellt, die Kunden hätten neuerdings ein mulmiges Gefühl, wenn es darum gehe, Daten in die Cloud zu verlagern, stecken darin zwei beschönigende Worte. Zum einen sind vor allem deutsche Kunden aus dem für die Volkswirtschaft so wichtigen Mittelstand nicht erst „neuerdings“ skeptisch, wenn es darum geht, unternehmensrelevante Daten in räumlich weit entfernte Rechenzentren dritter Anbieter zu verlagern. Zum anderen haben die Enthüllungen des ehemaligen amerikanischen Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden nicht nur zu einem etwas unbestimmten „mulmigen“ Gefühl geführt, sondern in vielen Fällen zu regelrechter Angst vor dem, was selbst im Auftrag demokratischer Rechtsstaaten möglich ist. Jeder Unternehmer weiß: Um Terrorabwehr geht es hier vielleicht auch, aber Wirtschaftsspionage dürfte ein nicht weniger attraktives Motiv der digitalen Schnüffelei sein.

 

Insofern ist für die IT-Branche Gefahr im Verzug. Die Cloud ist das Wachstumsthema der kommenden Jahre schlechthin. Und eigentlich gibt es für Unternehmen auch viele gute Gründe, die Cloud zu nutzen: Die Kosten für die Informationstechnologie lassen sich so deutlich senken. Bedarfsspitzen können leichter abgedeckt werden. Und bestimmte Anwendungen lassen sich in Cloud-Umgebungen gut testen, bevor sie auf den Computern eines weltumspannenden Konzerns tatsächlich eingeführt werden. Die Liste der Vorteile ließe sich noch lange fortführen. Die Ersparnisse in Euro und Cent sind jedoch dann nicht der Rede wert, wenn man sie vor allem mit dem Verlust der Kontrolle über die eigenen Daten bezahlt.


 

Die Privatsphäre wird sich nicht mehr komplett schützen lassen

 

Es gibt Wirtschaftsverbände, die in dieser Hinsicht kein Blatt mehr vor den Mund nehmen: Der Verlust von Wissen um Prozesse, Produkte, Märkte und Kunden bedrohe den gesamten deutschen Maschinen- und Anlagenbau, ist aus dieser Vorzeigebranche zu hören. Und der anderen deutschen Paradeindustrie, dem Automobilbau, geht es in der Hinsicht nicht besser. Der geschätzte Schaden durch Wirtschaftsspionage erreicht nach den Angaben des Bundesamts für Verfassungsschutz 30 bis 60 Milliarden Euro im Jahr, mit steigender Tendenz. Vom Staat fühlen sich die betroffenen Unternehmen deshalb nicht erst seit Edward Snowden verlassen. Viele greifen zur Selbsthilfe - und werden nun noch weniger dazu bereit sein, den Sirenenklängen der IT-Branche in die Cloud zu folgen.

 

Nicht zuletzt gilt es für die Unternehmen, die wachsende Skepsis ihres Umfelds zu beachten. Auch der Zulieferer möchte nicht, dass bestimmte Konstruktionen oder Ideen auf Tastendruck auf einem amerikanischen Netzwerkrechner (Server) landen. Und die Endkunden werden mit jedem Tag der Snowden-Berichterstattung skeptischer. Produkte wie die Datenbrille von Google, deren Markteinführung einige Technikverrückte kaum erwarten konnten, werden so zu einem garantierten Fehlschlag. Erste Testnutzer berichten schon von feindseligen Reaktionen ihrer Umgebung, wenn beim Gegenüber die Google-Brille auf der Nase entdeckt wird: Filmst Du mich gerade? Machst Du jetzt ein Foto von mir? Liest Du im Internet nach, wer ich bin? So wollen sich viele Menschen die Welt der Zukunft nicht vorstellen.

 

Die Privatsphäre, so viel steht längst fest, wird sich zwar nicht mehr komplett schützen lassen. Und wenn Eric Schmidt, der Verwaltungsratsvorsitzende von Google, schreibt, es mache sich erst recht derjenige verdächtig, der die modernen Datendienste nicht nutze, trägt er ein ernstzunehmendes Argument vor: Schon in Zeiten der Rasterfahndung gegen RAF-Terroristen war es unklug, seine Stromrechnung in bar zu bezahlen.


 

Gesetze allein für Deutschland oder Europa reichen nicht

 

Wo der Privatmann die Google-Brille aber wenigstens noch absetzen, im Umgang mit sozialen Netzwerken vorsichtiger werden und sein Handy hin und wieder auch einmal ausschalten kann, um seine Datenspur wenigstens etwas schmaler zu machen, ist die Situation für die Unternehmen in dieser Hinsicht viel unbefriedigender.

 

Denn Unternehmen stehen im internationalen Wettbewerb. Da geht es um Schnelligkeit und Kosten, und beide Themen werden von der Cloud im besten Sinne bedient. Es wird deshalb weitergehen mit der Entwicklung, standardisierte Rechenleistungen dezentral abzurufen. Die Deutsche Börse, die bald einen Marktplatz für den Handel mit solchen Rechenleistungen etablieren will, darf sich durchaus Hoffnungen machen, dass dieser Handel ein Erfolg wird.

 

Quelle: faz.net